Strukturelle & funktionelle neurovaskuläre Kopplung

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt kann die fMRI-Methode nicht direkt neuronale elektrische Aktivität feststellen und kartieren. Sie liefert stattdessen Bilder von aktivierten Hirnregionen, indem sie die indirekten Effekte neuronaler Aktivität auf die zerebrale Hämodynamik ermittelt [1]. Letztere ist eng gekoppelt an die neuronale Aktivität, das das Gehirn sehr viel Energie braucht und enorm von einer kontinuierlichen Blutversorgung abhängt. Diese Kombination von Energiebedarf und Intoleranz gegenüber Ischämie ist sehr wahrscheinlich genau der Grund für die Existenz der sogenannten neurovaskulären Kopplung (NVC), d. h. der Grund dafür, dass der zerebrale Blutfluss (CBF) so perfekt auf allen räumlichen Skalen reguliert ist. Und trotzdem, trotz dieser feinen Abstimmung, bringt die NVC bestimmte Beschränkungen der räumlich-zeitlichen Auflösung und der Spezifität des fMRI-Signals mit sich. Sowohl die Auflösung als auch die Spezifität hängen von der Kaskade an neurovaskulären Signalen ab, von der Architektur des Gefäßsystems und vom räumlichen Level der Blutflussregulierung. Man weiß nur wenig über die Prinzipien der Blutflussregulierung auf verschiedenen vaskulären Skalen, über die räumliche Verteilung von Gefäßdichten und über die Abhängigkeit der Vaskulatur an verschiedenen Stellen des Gehirns. Ähnlich wenig ist auch über die tatsächlichen neuronalen Elemente und Ereignisse bekannt, die hinter den Steigerungen des Energiestoffwechsels oder den neurovaskulären Signalisierungsprozessen stecken, die letztendlich Veränderungen des CBF induzieren. Um die oben genannten Prozesse besser zu verstehen, untersuchen wir seit zehn Jahren die strukturelle und funktionelle NVC mittels einer Reihe verschiedener Techniken, darunter fMRI mit sehr hoher Auflösung, Immunhistochemie, Gefäßausgüsse, Röntgen-Mikrotomografie [2], Neuropharmakologie [3] und die Kombination von Elektrophysiologie mit BOLD-Bildgebung [4] in narkotisierten und in wachen Rhesusaffen.

Strukturelle neurovaskuläre Kopplung

Wir kombinierten Korrosionsausgüsse, Immunhistochemie und Cytochrom-Oxidase-Färbung (COX-Färbung). Unsere detaillierten Messungen der regionalen vaskulären Längendichte, des Volumenanteils und der Oberflächendichte zeigten eine ähnliche Vaskularisation in verschiedenen visuellen Arealen. Der höchste Korrelationsgrad bestand interessanterweise zwischen Gefäßdichte und dem steady-state metabolischen Bedarf, gemessen über die COX-Aktivität, und nicht zwischen vaskulären Parametern und der Dichte von Neurogliaelementen. Diese Beobachtung führte zur Annahme, dass die Zahl der Neuronen und Synapsen zwar eine Obergrenze der integrativen Kapazität eines Areals festlegt, dass jedoch dessen Vaskularisation die neuronale Aktivität derjenigen Subpopulationen widerspiegelt, die eine Art Grundeinstellung des steady-state Gehirns repräsentieren.


Momentan wird außerdem versucht das vaskuläre System des Affenkortex präzise zu kartieren mittels Rasterelektronenmikroskop (REM) mit großer, motorisierter Probenbühne, das es möglich macht, auch große Proben zu scannen (Abbildung 1). Zusätzlich wird ein System entwickelt, das den Blutfluss durch das zerebrale Gefäßsystem auf der Basis von einfachen flüssigkeitsdynamischen Prinzipien im Modell abbildet. Der dreidimensionale advektive Transport, der Austausch zwischen Gefäßsystem und Gewebe und die Diffusion innerhalb des Gewebes machen es möglich, den Transport von Sauerstoff, die Verabreichung von Medikamenten und ähnliches zu simulieren. Dieses Bezugssystem bietet die Möglichkeit, Blutdruck, Blutfluss und den skalaren Transport zu berechnen.

Funktionelle neurovaskuläre Kopplung

Das fMRI-Signal gibt überwiegend regionale perisynaptische Aktivität wieder, d. h. die klassischen Ereignisse der synaptischen Übertragung mit ihren exzitatorischen bzw. inhibitorischen postsynaptischen Populationspotenzialen sowie eine Reihe von integrativen Prozessen wie somatische und dendritische Spikes mit den folgenden Nachpotenzialen und von der elektrischen Spannung abhängige Membranoszillationen [1, 4 und 5]. Diese Prozesse stecken bis zu einem gewissen Grad hinter verschiedenen Komponenten des neuronalen Gesamtsignals. Insbesondere bestimmen dendro-somatische integrative Prozesse die Modulierung der Stärke verschiedener niedriger Frequenzbänder (<150 Hz) der Feldpotenziale (LFPs), während die Spikeaktivität von Populationen stimulusselektiver/aufgabenselektiver Neuronen (Mehrzellaktivität, multiple-unit activity, MUA) von höheren Frequenzbändern erfasst wird (>1 kHz) oder von der Aktivität isolierter Einheiten, obwohl diese nur wenig helfen, die Veränderungen bei den fMRI-Signalen, die typischerweise Massenaktion widerspiegeln, zu verstehen.

Da LFP und MUA miteinander korrelieren, untersucht man die Details der Beziehung zwischen fMRI-Signal und den neuronalen Ereignissen, die dahinter stecken, am besten anhand von Fällen, bei denen eine Reaktionsdissoziation zwischen den beiden besteht. Derartige Dissoziationen lassen sich durch bestimmte Arten der visuellen Stimulierung, durch pharmakologische Manipulationen [3] oder elektrische Mikrostimulation hervorrufen. Die erste Art wurde im primären visuellen Kortex sowohl an narkotisierten als auch an wachen Tieren beobachtet [4] sowie zuletzt im Areal V5 (MT). BOLD-Reaktionen konnten hervorgerufen werden, ohne dass irgendeine MUA vorhanden war. Eine ähnliche Dissoziation wurde bei elektrischer Stimulierung (ES) festgestellt. In jüngerer Zeit kombinierten wir ES mit fMRI [6], um In-vivo-Konnektivität zu untersuchen. Diese Technik wurde auch eingesetzt, um ES-induzierte Signalübertragung im Kortex zu untersuchen. Stimulation des dLGN führte zu starker BOLD-Aktivierung im V1, dessen thalamo-kortikale Synapsen (Input- und lokale Prozessierung) durch die elektrischen Impulse angetrieben werden, trotz der Tatsache, dass der V1-Output vollständig unterdrückt ist.

Input-Output-Dissoziationen wie die gerade beschriebenen sind keine seltenen Phänomene, die sich nur experimentell auslösen lassen. Wenn kortikale Areale “feedforward” stimuliert werden, mit einfachen sensorischen Stimuli, dann korrelieren Feldpotenziale und Spikeaktivität, wodurch bestimmte Stimulierungsbedingungen wie die oben beschriebenen ausgeschlossen sind. Aktivierungen aufgrund von kognitiver Prozessierung können jedoch von Von-oben-nach-unten- und neuromodulatorischen Signalen dominiert sein, welche die Balance zwischen Exzitation und Inhibition kortikaler Mikroschaltkreise erhöhen können ohne notwendigerweise mit einer gleichzeitigen Steigerung der Spikeaktivität aufgabenselektiver Neuronen assoziiert zu sein. Die Auswirkungen der Neuromodulation auf große Populationen lässt sich auf verschiedene Art und Weise untersuchen, u. a. auch über die Erforschung spontaner kortikaler Aktivität. Und schließlich kann die Untersuchung der funktionellen neurovaskulären Kopplung sehr stark von Versuchen zur Kalibrierung des BOLD-Signals profitieren, welche darauf zielen, dass dieses Signal so eng wie möglich den tatsächlichen Energiestoffwechsel widerspiegelt.

Literatur

  1. Logothetis, N. K., B. A.Wandell: Interpreting the BOLD Signal. Annual Review Physiology 66, 735–769 (2004).
  2. Weber, B, A. L. Keller, J. Reichold, N. K. Logothetis: Microvascular System of the Striate and Extrastriate Visual Cortex of the Macaque. Cerebral Cortex 18(10), 2318–2330 (2008).
  3. Rauch, A., G. Rainer, N. K. Logothetis: The Effect of a Serotonin-induced Dissociation Between Spiking and Perisynaptic Activity on BOLD functional MRI. Proceedings of the National Academy of Sciences of the USA 105(18), 6759–6764 (2008).
  4. Goense, J. B., N. K. Logothetis: Neurophysiology of the BOLD fMRI Signal in Awake Monkeys. Current Biology 18(9), 631–640 (2008).
  5. Logothetis, N. K.: What We Can Do and Cannot Do with fMRI. Nature 453(7197), 869–878 (2008).
  6. Tolias A, F. Sultan, M. Augath, A. Oeltermann, E. Tehovnik, P. Schiller, N. K. Logothetis: Mapping Cortical Activity Elicited with Electrical Microstimulation Using fMRI in the Macaque. Neuron 48(6), 901–911 (2005).
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