Von Harvard nach Tübingen

Weitere U.S. amerikanische Wissenschaftler führen ihre Forschung auf dem Max Planck Campus in Tübingen fort

19. November 2019

Am Max-Planck-Institut für biologische Kybernetik nehmen gleich mehrere Nachwuchswissenschaftler aus den USA ihre Forschungsarbeiten auf. Mit Jennifer Li und Drew Robson vom renommierten Rowland Institut der Universität Harvard begann vor einigen Wochen ein Brain Drain nach Tübingen. Mit der Gründung ihrer neuen Forschungsgruppe „Systems Neuroscience & Neuroengineering“ zogen weitere Forscherkolleginnen und -kollegen nun aus Nordamerika nach.

Die beiden Forscher Li und Robson haben sich auf die Entwicklung neuartiger Bildgebungssysteme zur Analyse der Hirnaktivität in Zebrafischen spezialisiert. Seit über zehn Jahren entwickeln sie immer ausgefeiltere wissenschaftliche Tools, um die Aktivität großer neuronaler Netze bei komplexen Verhaltensweisen zu beobachten. Damit erhalten sie immer detailliertere und umfangreichere Daten zu zentralen Fragen der Hirnforschung. Ziel ist es, ein tieferes Verständnis zu erhalten, auf welche Weise bestimmte Hirnzustände das Lernen und Entscheiden von Tieren und Menschen beeinflussen können.

Mit ihrer Expertise werden am Max Planck Campus Tübingen zahlreiche Synergien in der Forschung an den Instituten für biologische Kybernetik, Entwicklungsbiologie und Intelligenten Systemen erwartet.

Jennifer Li hat ihr Studium im Fach Molekularbiologie an der Princeton Universität abgeschlossen, wo sie anschließend auch als junge Wissenschaftlerin im Bereich der Entwicklungsbiologie im Labor von Eric Wieschaus tätig war. Ihren Doktortitel erlangte sie an der Harvard-Universität. Hier war sie unter anderem in der Forschungsabteilung Systemische Neurowissenschaften und Operantes Lernen in den Laboren von Alex Schier und Florian Engert tätig. Bevor sie nach Tübingen kam, war sie fünf Jahre als Junior Fellow am Rowland Institut in Harvard aktiv.

Drew Robson erhielt seinen Universitätsabschluss in Mathematik an der Universität Princeton, wo er auch in den Laboratorien von Olga Troyanskaya und Eric Wieschaus in Feldern der Bioinformatik und Biophysik forschte. Wie Jennifer Li promovierte auch Drew Robson an der Harvard-Universität. Hingegen konzentrierte er sich auf Systemneurowissenschaften und thermosensorische Verhaltensweisen und sammelte in den Forschungsabteilungen von Alex Schier und Florian Engert weitere Erfahrungen. Bevor er nach Tübingen kam, war er fünf Jahre als Junior Fellow am Rowland Institut in Harvard beschäftigt.

Wie kam die Entscheidung für Tübingen zustande?

Jennifer: Vor rund einem Jahr traf ich Zhaoping Li, die zu dieser Zeit am Max-Planck-Institut für biologische Kybernetik den Bereich Sensorik und sensomotorische Systeme aufbaute, um an Themen neuronaler Netzwerke von Zebrafischen zu forschen. Sie erzählte mir vom Vorhaben einer neuen fachlichen Ausrichtung des Instituts, was vor allem grundlegende Fragen der Neurowissenschaften sowohl aus theoretischer wie auch aus experimenteller Sicht angeht. Die Vision, die sie mir beschrieb, entsprach genau dem, was ich gesucht hatte. Unter der Leitung von Peter Dayan freue ich mich sehr darauf, das Institut in den kommenden Jahren wachsen und reifen zu sehen.

Drew: Ich denke, es ist vor allem die Vision des neuen Instituts, die mich anzog. Institutsleiter Peter Dayan plant unabhängige Forschungsgruppen, in denen jeder Forschungsgruppenleiter die notwendige Unterstützung, Unabhängigkeit und Flexibilität erhält, eigene ehrgeizige Projekte zu verwirklichen. Solche Möglichkeiten sind international gesehen äußerst selten und wertvoll. Jennifer und ich hatten die letzten fünf Jahre als Fellows am Rowland Institut in Harvard verbracht, das auch jede Menge Möglichkeiten bietet, um junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu fördern. Wir beide glauben fest an diese Modelle besonderer Forschungsförderung. Mit Tübingen verbanden wir vor allem Möglichkeiten, mit einer größeren Gemeinschaft von Neurowissenschaftlern, Biologen und Ingenieuren zusammenzuarbeiten. Ich freue mich sehr darauf, Tübingen nun richtig kennenzulernen.

Wie könnte die Zusammenarbeit mit den verschiedenen Instituten auf dem Campus und weiteren wissenschaftlichen Einrichtungen in Tübingen Eure Forschung voranbringen?

Jennifer: Ich habe ja eigentlich als Entwicklungsbiologin angefangen. Mein erster wissenschaftlicher Mentor war Eric Wieschaus, ein wirklich inspirierender Wissenschaftler und wissenschaftlicher Partner von Nobelpreisträgerin Christian Nüsslein-Volhard in Heidelberg. Auf was ich mich im Vorfeld besonders freute, war die Gelegenheit, Christiane endlich persönlich kennenzulernen. Tatsächlich aber hängt der Erfolg meiner Arbeit vom Wissen und der Expertise einer Vielzahl anderer Disziplinen außerhalb der Neurowissenschaften ab. Darunter zum Beispiel die Genetik, Biophysik, Optik, Elektrotechnik und auch der Maschinenbau. Ich empfinde es als großes Glück und einmalige Chance, die Max-Planck-Institute für Entwicklungsbiologie und Intelligente Systeme mit ihren hervorragenden technischen Ausstattungen als Nachbarn zu wissen.

Drew: Ich habe an der Universität Princeton mit Mathematik angefangen. Mathematische Prinzipien sind ja an sich universell und deshalb nicht an einem Ort zu Hause. Ich interessiere mich sehr für Themen, die fachübergreifend anwendbar sind, für Neurowissenschaften, Biologie, künstliche Intelligenz und Ingenieurwissenschaften. Wir haben wirklich das Glück, das Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie und das Max-Planck-Institut für Intelligente Systeme als Nachbarn zu haben. Die feinmechanische und elektrotechnische Werkstatt am Max-Planck-Institut für biologische Kybernetik empfinde ich übrigens als die mit Fachpersonal und Maschinen am besten ausgestatteten Einrichtung, die ich bisher gesehen habe. Ich freue mich, mit ihnen allen zusammenzuarbeiten, um mit unserem ehrgeizigen Forschungsprogramm bald loszulegen.

Was sind Eure bisherigen Eindrücke von Tübingen?  

Jennifer:  Tübingen ist ein wirklich schöner Ort, und die Stadt erinnert mich ein wenig daran, wo ich im Westen Kanadas aufgewachsen bin. Bei einer so großen Zahl von Studierenden wirkt Tübingen auf mich recht jung und energetisch. Ich habe fast mein ganzes Leben lang in Universitätsstädten verbracht und liebe die besondere Atmosphäre. Das Essen ist hier übrigens hervorragend und ich bin beeindruckt von der überwältigen Zahl örtlicher Bäckereien.

Drew: Der Max Planck Campus hier in Tübingen liegt nahezu malerisch auf einem Hügel mit Blick auf die Stadt, auf umliegende Dörfer und den Schwarzwald. Manchmal kann man Füchse, Igel und andere nachtaktiven Tiere hier zu später Stunde antreffen. Ich empfinde es als so absurd perfekt, dass ich mich fast so fühle, als wären Jennifer und ich Teil eines Manga-Abenteuers von Hayao Miyazaki.

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