Das Vorgaukeln von Bewegung: warum wir seekrank werden

Die Bewegungs- oder auch Seekrankheit ist ein uraltes Phänomen, welches sich auch in hochmodernen virtuellen Realitäten bemerkbar macht.

5. April 2017

Die Bewegungs- oder auch Seekrankheit ist ein uraltes Phänomen, welches sich auch in hochmodernen virtuellen Realitäten bemerkbar macht. Dennoch ist bis heute relativ unklar, wodurch diese körperliche Reaktion ausgelöst wird. Suzanne Nooij und ihre KollegInnen vom Max-Planck-Institut für biologische Kybernetik fanden heraus, dass primär die Intensität der Bewegungsillusion ausschlaggebend ist: je intensiver das Gefühl der Selbstbewegung, desto stärker die Übelkeit. Die neuen Erkenntnisse lassen Zweifel an bisherigen Theorien zur Bewegungskrankheit aufkommen.

Viele von uns kennen folgendes Phänomen: man sitzt im Zug und hat das Gefühl, dass der Zug abfährt, obwohl sich lediglich der Zug auf dem Nachbargleis bewegt. Als stationäre Beobachter können uns Bewegungen in unserer visuellen Umgebung ein glaubwürdiges Gefühl einer Selbstbewegung vermitteln. Viele Fahrzeugsimulatoren und Umgebungen in virtuellen Realitäten machen sich dieses Phänomen zunutze. Wird man einer visuell induzierten Selbstbewegung jedoch zu lange ausgesetzt, kann dies die sogenannte Bewegungskrankheit (engl.: „motion sickness“) auslösen. Die Folgen: Schwindel, Desorientierung und Übelkeit. Obwohl dies ein sehr altes Problem ist, gibt es unterschiedliche Theorien über mögliche Ursachen und Behandlungsmethoden. Dr. Nooij und ihre KollegInnen aus der Abteilung von Prof. Bülthoff am MPI für biologische Kybernetik haben, in Kooperation mit der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz, drei verschiedene Theorien getestet.

Versuchspersonen im panoramischen Labor des MPI beobachteten mehrmals eine Szene, die sich, ähnlich wie in einem Karussell, um sie herum bewegte. Die experimentellen Bedingungen wurden dabei jeweils verändert. Während des 20-minütigen Versuchs maßen die ForscherInnen das Ausmaß der Bewegungskrankheit, die Intensität der Bewegungsillusion und die Kopf- und Augenbewegungen der ProbandInnen.

Die Resultate zeigen deutlich, dass die Intensität der Bewegungsillusion unter all diesen Faktoren der wichtigste ist: je intensiver die Bewegungsillusion, desto übler wurde es den Versuchspersonen. Dies ist die erste Studie, die diesen Effekt so klar nachweist, da die Intensität der Bewegungsillusion jedes Mal variiert wurde, um die unterschiedlichen Auswirkungen bei der jeweils gleichen Versuchsperson miteinander vergleichen zu können.

Die Illusion einer Selbstbewegung und nicht eine bewegte Szene an sich, ist daher eine Grundvoraussetzung für die visuell induzierte Bewegungskrankheit. Zudem fanden die ForscherInnen heraus, dass sie sogar durch Bewegungsillusionen mit konstanter Geschwindigkeit und nicht lediglich während Beschleunigungsprozessen, ausgelöst werden kann. Die neuen Erkenntnisse erfordern eine Überarbeitung der sog. sensorischen Konflikttheorie (eine der weitverbreitetsten Theorien zur Bewegungskrankheit), da sie ihr in den genannten Punkten widersprechen. Das Virtual Reality Team von Prof. Bülthoff und Suzanne Nooij testen derzeit die Möglichkeit, dass die Bewegungskrankheit weniger durch einen Konflikt zwischen den Sinnen verursacht wird, sondern vielmehr durch einen Konflikt zwischen dem was wir als bewegt wahrnehmen (uns selbst) und dem Stationären (die Umgebung).

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Autorin: Beate Fuelle

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