Alexandra Reichenbach

Alumni of the Department High-Field Magnetic Resonance
Alumni of the Department Human Perception, Cognition and Action

Forschungsinteressen

Verarbeitung visueller Informationen für die Bewegungskontrolle

Die Steuerung von Hand- und Armbewegungen mithilfe von Sinnesinformationen läuft im alltäglichen Leben eher beiläufig ab. Wir schauen uns nicht bewusst erst einmal jeden Gegenstand an nach dem wir greifen und trotzdem gehen die Bewegungen selten fehl. Die Komplexität der zugrundeliegenden Gehirnprozesse wird einem erst dann klar, wenn man versucht einem Roboter entsprechend flexible Bewegungen beizubringen, oder wenn man sich die Vielfalt der Krankheitsbilder anschaut, die aus Fehlfunktionen dieser Prozesse resultieren können. Um eine zielgerichtete Bewegung zu einem Gegenstand in der Umgebung auszuführen, lokalisieren wir diesen Gegenstand mit unserem Sehsinn und die Position unserer Arme mit Seh- und Haltungssinn. Daraus ermittelt das Gehirn, wie wir unsere Muskeln aktivieren müssen. Während der Bewegung überwachen Haltungs- und Sehsinn stets die aktuelle Position und Konfiguration unserer Hände und die Muskelanspannung wird wenn nötig angepasst. Diese Kontrollprozesse müssen sehr schnell und flexibel auf fehlerhafte Bewegungen oder änderungen in der Umgebung reagieren, was unser Gehirn mit Bravour meistert.

Doch wie unser Gehirn das genau macht, verstehen wir bisher nur ansatzweise. Meine Forschung addressiert zwei Herausforderungen, vor denen das Gehirn für die visuelle Kontrolle von Bewegungen steht. Die erste Herausforderung ergibt sich aus der Reichhaltigkeit unserer natürlichen Umgebung. Der Sehsinn erfasst zu jedem Augenblick die komplette Umgebung und liefert somit eine nicht zu verarbeitende Menge an Informationen. Die Kontrollprozesse benötigen jedoch lediglich Informationen über unseren Körper und das Ziel der Bewegung. Wie diese aus der Informationsflut herausgefiltert werden war Thema meiner ersten Untersuchungen. Um sensorische Informationen zu verarbeiten, muss normalerweise Aufmerksamkeit auf die relevante Information gelenkt werden. Meine Untersuchung hat gezeigt, dass dies auch für die Verarbeitung visueller Informationen über den Zielgegenstand nötig ist. Im Gegensatz dazu erfolgt die Verarbeitung visueller Informationen über die Position unserer bewegungsausführenden Hand unabhängig von Aufmerksamkeitsprozessen. Dieser Befund führte dazu, dass ich unterschiedliche Mechanismen für die Verarbeitung dieser zwei Arten visueller Informationen vorgeschlagen habe. Abschliessend habe ich untersucht, welchen Ansprüchen visuelle Informationen genügen müssen, um mit dem aufmerksamkeitsunabhängigen Mechanismus verarbeitet zu werden, sprich: um direkt in das eigene Körperschema integriert zu werden. Im Falle der eigenen Hand ist die Lösung trivial, da der visuelle Eindruck der Hand vollständig der ausgeführten Bewegung folgt. Aber schon in so inzwischen alltäglichen Situationen wie der Benutzung der Computermaus ergibt sich eine Dissoziation zwischen Bewegung und visuellem Feedback, und doch können wir nach wenig übung mit dem Mauszeiger wie mit der eigenen Hand umgehen. Das zeigt wie flexibel dieser Mechanismus ist, und erweitert seine Bedeutung von einem biologischen Mechanismus zu einem menschlichen Faktor, der in der Gestaltung intuitiv nutzbarer manuell bedienter und ferngesteuerter Geräte eine grosse Rolle spielt.

Die zweite Herausforderung lässt sich intuitiv sehr einfach lösen: wie wird die Richtung der Bewegung ermittelt, die für das Erreichen des Gegenstandes eigenschlagen werden muss? Stellt man sich den Richtungsvektor zwischen zwei Punkten im 3-dimensional Raum vor, ist die Lösung einfach: die Bewegungsrichtung berechnet sich aus Differenz zwischen Gegenstands- und Handposition. Da beide Informationen über den Sehsinn aufgenommen werden, kann sie das Gehirn auch direkt miteinander verrechnen. Diese Lösung ist intuitiv so einfach, dass bisher immer angenommen wurde, dass unser Gehirn so funktioniert. Ausgehend von der bekannten Funktionsweise des Gehirns ist die Lösung jedoch nicht so trivial, da die Differenzbildung für unsere Nervenzellen eine komplexere Operation darstellt, und somit für rasche Kontrollprozesse möglicherweise ungeeignet ist. Basierend auf dieser überlegung haben meine Untersuchungen gezeigt, dass bei Bewegungsänderungen mindestens zwei verschiedene Operationen vom Gehirn durchgeführt werden: Zur Initiierung der Bewegungsänderung werden die Positionen des Zielgegenstandes und der Hand unabhängig voneinander verarbeitet, was wesentlich schneller ist. Erst wenn die Bewegung dem Ziel relative nahe ist, dann bildet das Gehirn den Differenzvektor und die Feinjustierung der Bewegung erfolgt. Diese Ergebnisse sind u.a. für Forscher interessant, die Gehirnsignale zur Steuerung von Prosthesen und anderen Hilfsmitteln einsetzen. In diesem Anwendungsgebiet ist die Nutzung visuell-motorischer Hirnsignale während der Ausführung von Bewegungen eine der aktuellen Herausforderungen, und meine Forschung legt dafür die Grundlagen.

Zur Redakteursansicht